„The Shy Camera“ von Gregor Kuschmirz ist eine Installation
in der Ausstellung „We, The Enemy“ – zu sehen in der Kunsthalle Osnabrück bis
zum 25.Mai 2014. Diese schüchterne Kamera wendet sich von jedem Betrachter, der
ihr näher treten will, ab. Ansonsten dreht sie sich, an der Raumdecke
befestigt, um ihre eigene Achse.
Mir als Betrachter fällt natürlich auf, dass die Kamera
gegensätzlich zu den Kameras handelt, die wir bisher kennenlernen konnten. Sie
nimmt Objekte oder Personen nicht in den Fokus, sondern dreht sich weg.
Normalerweise erwartet man, dass die Kameras, die in vielen öffentlichen und
privaten Räumen vorhanden sind, Menschen und die Situationen, in denen sie sich
befinden, aufnehmen und speichern. Hier erlebt man genau das Gegenteil. Was
soll die Installation uns, den Betrachtern, mitteilen?
Die meisten Menschen versuchen heute, Medienpräsenz zu beweisen,
sich positiv ins Bild zu setzen und zu präsentieren. Dies gelingt natürlich
nicht allen Personen gleich gut. Dennoch kann man fast überall in der
Öffentlichkeit, also im Bus, in der Universität, eigentlich überall erleben, wie
Menschen „Selfies“ von sich machen und im Internet veröffentlichen, ergänzt
noch durch ganz private Informationen über ihre Person und Lebensumstände. Aber
Kameras sammeln auch, ohne uns explizit um ihr Einverständnis zu bitten,
Informationen über uns. Allzu oft wird vergessen, dass an öffentlichen Plätzen
inzwischen eine Dauerüberwachung stattfindet und wir jederzeit durch Kameras
unter Beobachtung stehen.
Der Künstler versucht dadurch, dass er eine „schüchterne“
Kamera installiert hat, Ironie zu erzeugen. Wir kennen es einfach nicht, dass
eine Kamera sich wegdreht, wenn wir in ihre Nähe treten. Das Gegenteil ist der
Normalfall. Ich denke, dass Gregor Kuschmirz damit anstoßen will, dass wir
unser eigenes Verhalten analysieren und reflektieren. Und wir sollen darüber
nachdenken, vielleicht sogar unser Verhalten in Frage stellen und ändern?! Ein
Denkmal steht für mich als Zeichen, über einen Umstand oder ein Ereignis oder
eine Person nachzudenken – „Denk mal“ im wörtlichen Sinne verstanden.
Der Gegenstand der Betrachtung "The Shy Camera" ist auf der Website des "European Media Art Festival" zu sehen.
Für mich ist „The Shy Camera“ eine wichtige Aufforderung, über unseren Alltag und Umgang mit Medien nachzudenken. Unsere Gesellschaft ist darauf ausgerichtet, dass wir Menschen ständig in Wettbewerb miteinander stehen und uns vergleichen. Das Internet spielt hierbei eine relevante Rolle und insbesondere die Netzwerke, auf die man als Benutzer Zugriff hat, sollen ständige Medienpräsenz hervorrufen.
AntwortenLöschenFür mich ist die Kamera das Gegenteil von dieser Haltung und des Drangs nach Aufmerksamkeit. Sie möchte nicht alles sehen. Sie ist schüchtern, was heutzutage fast ein Schimpfwort ist und ist nicht Teil der permanenten Medienpräsenz.
Es lässt sich jedoch nicht abstreiten, dass die Menschen in den letzten Jahren, besonders durch das Erscheinen von Twitter, Facebook oder der Verbreitung von Tablets und Smartphones, immer mehr vernetzt sind und verständlicherweise mit anderen in Kontakt stehen möchten. Kommunikation weltweit ist preiswert und geschieht sehr schnell.
Jedoch ist zweifelhaft, ob es einer Gesellschaft gut bekommt, dass ihre Individuen fast alles von sich preis geben. Was ist noch privat?
Selbst als Edward Snowden uns erstmals das Maß der Datensammelwut und damit die Macht der NSA offenbarte, kümmerte es doch nicht allzu viele Menschen allzu lang. Ja, Frau Merkel hat schließlich auch erst Empörung gezeigt, als heraus kam, dass ihr eigenes Handy abgehört wurde. Die Handys ihres Volkes hatten sie nicht dazu bewogen. War sie wirklich ahnungslos?
Ich empfinde „The Shy Camera“ als leise, aber präsente Darstellung des Umgangs mit Medien.
AntwortenLöschenWollen wir wirklich eine Gesellschaft, in der alle Menschen zu 100% transparent sind? In der vielleicht einige große Konzerne durch Datensammelwut soviel Wissen über uns anhäufen, dass sie am Ende mehr über uns wissen als wir selbst? Möchten wir eine Regierung haben, die dann doch sagt „Schwamm drüber“, selbst wenn Millionen Bürger betroffen sind? Wollen wir eine Gesellschaft, in der sich jeder abhetzen muss, um mit den neuen Medien mitzuhalten? Was geschieht mit den Menschen, die nicht allen medialen Trends folgen wollen oder können?
Meiner Meinung nach lädt die Installation von Gregor Kuschmirz zu einer notwendigen Diskussion über den heutigen Umgang mit Medien ein, die zwar schon bisweilen mancherorts geführt wird, aber dann doch immer wieder verebbt. Doch die meisten Daten, die wir erzeugen, sind nicht wieder rückholbar, selbst wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs mit dem „Recht auf Vergessen“ ein Schritt in die richtige Richtung ist. Leider wird es vorerst nur in Europa rechtlich durchsetzbar sein.