Sonntag, 15. Juni 2014

The Shy Camera


„The Shy Camera“ von Gregor Kuschmirz ist eine Installation in der Ausstellung „We, The Enemy“ – zu sehen in der Kunsthalle Osnabrück bis zum 25.Mai 2014. Diese schüchterne Kamera wendet sich von jedem Betrachter, der ihr näher treten will, ab. Ansonsten dreht sie sich, an der Raumdecke befestigt, um ihre eigene Achse.



Mir als Betrachter fällt natürlich auf, dass die Kamera gegensätzlich zu den Kameras handelt, die wir bisher kennenlernen konnten. Sie nimmt Objekte oder Personen nicht in den Fokus, sondern dreht sich weg. Normalerweise erwartet man, dass die Kameras, die in vielen öffentlichen und privaten Räumen vorhanden sind, Menschen und die Situationen, in denen sie sich befinden, aufnehmen und speichern. Hier erlebt man genau das Gegenteil. Was soll die Installation uns, den Betrachtern, mitteilen?

Die meisten Menschen versuchen heute, Medienpräsenz zu beweisen, sich positiv ins Bild zu setzen und zu präsentieren. Dies gelingt natürlich nicht allen Personen gleich gut. Dennoch kann man fast überall in der Öffentlichkeit, also im Bus, in der Universität, eigentlich überall erleben, wie Menschen „Selfies“ von sich machen und im Internet veröffentlichen, ergänzt noch durch ganz private Informationen über ihre Person und Lebensumstände. Aber Kameras sammeln auch, ohne uns explizit um ihr Einverständnis zu bitten, Informationen über uns. Allzu oft wird vergessen, dass an öffentlichen Plätzen inzwischen eine Dauerüberwachung stattfindet und wir jederzeit durch Kameras unter Beobachtung stehen. 

Der Künstler versucht dadurch, dass er eine „schüchterne“ Kamera installiert hat, Ironie zu erzeugen. Wir kennen es einfach nicht, dass eine Kamera sich wegdreht, wenn wir in ihre Nähe treten. Das Gegenteil ist der Normalfall. Ich denke, dass Gregor Kuschmirz damit anstoßen will, dass wir unser eigenes Verhalten analysieren und reflektieren. Und wir sollen darüber nachdenken, vielleicht sogar unser Verhalten in Frage stellen und ändern?! Ein Denkmal steht für mich als Zeichen, über einen Umstand oder ein Ereignis oder eine Person nachzudenken   „Denk mal“ im wörtlichen Sinne verstanden.

Der Gegenstand der Betrachtung "The Shy Camera" ist auf der Website des "European Media Art Festival" zu sehen.

2 Kommentare:

  1. Für mich ist „The Shy Camera“ eine wichtige Aufforderung, über unseren Alltag und Umgang mit Medien nachzudenken. Unsere Gesellschaft ist darauf ausgerichtet, dass wir Menschen ständig in Wettbewerb miteinander stehen und uns vergleichen. Das Internet spielt hierbei eine relevante Rolle und insbesondere die Netzwerke, auf die man als Benutzer Zugriff hat, sollen ständige Medienpräsenz hervorrufen.

    Für mich ist die Kamera das Gegenteil von dieser Haltung und des Drangs nach Aufmerksamkeit. Sie möchte nicht alles sehen. Sie ist schüchtern, was heutzutage fast ein Schimpfwort ist und ist nicht Teil der permanenten Medienpräsenz.
    Es lässt sich jedoch nicht abstreiten, dass die Menschen in den letzten Jahren, besonders durch das Erscheinen von Twitter, Facebook oder der Verbreitung von Tablets und Smartphones, immer mehr vernetzt sind und verständlicherweise mit anderen in Kontakt stehen möchten. Kommunikation weltweit ist preiswert und geschieht sehr schnell.
    Jedoch ist zweifelhaft, ob es einer Gesellschaft gut bekommt, dass ihre Individuen fast alles von sich preis geben. Was ist noch privat?

    Selbst als Edward Snowden uns erstmals das Maß der Datensammelwut und damit die Macht der NSA offenbarte, kümmerte es doch nicht allzu viele Menschen allzu lang. Ja, Frau Merkel hat schließlich auch erst Empörung gezeigt, als heraus kam, dass ihr eigenes Handy abgehört wurde. Die Handys ihres Volkes hatten sie nicht dazu bewogen. War sie wirklich ahnungslos?

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  2. Ich empfinde „The Shy Camera“ als leise, aber präsente Darstellung des Umgangs mit Medien.

    Wollen wir wirklich eine Gesellschaft, in der alle Menschen zu 100% transparent sind? In der vielleicht einige große Konzerne durch Datensammelwut soviel Wissen über uns anhäufen, dass sie am Ende mehr über uns wissen als wir selbst? Möchten wir eine Regierung haben, die dann doch sagt „Schwamm drüber“, selbst wenn Millionen Bürger betroffen sind? Wollen wir eine Gesellschaft, in der sich jeder abhetzen muss, um mit den neuen Medien mitzuhalten? Was geschieht mit den Menschen, die nicht allen medialen Trends folgen wollen oder können?

    Meiner Meinung nach lädt die Installation von Gregor Kuschmirz zu einer notwendigen Diskussion über den heutigen Umgang mit Medien ein, die zwar schon bisweilen mancherorts geführt wird, aber dann doch immer wieder verebbt. Doch die meisten Daten, die wir erzeugen, sind nicht wieder rückholbar, selbst wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs mit dem „Recht auf Vergessen“ ein Schritt in die richtige Richtung ist. Leider wird es vorerst nur in Europa rechtlich durchsetzbar sein.

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